Alois Dorn, Nazi und Stolz von OÖ

Wussten Sie schon, dass der oberösterreichische Bildhauer Alois Dorn (1908-1985) ab Mai 1938 Mitglied der NSDAP war? Wahrscheinlich nicht, weil dieser braune Fleck in seiner Biografie meist nobel übergangen wird. Dasselbe Aufnahmedatum wie er (1. Mai 1938 – dieses Aufnahmedatum erhielten Zigtausende Österreicher, die sich noch nach dem Verbot der NSDAP 1934 für sie betätigt hatten) hatte sein Bruder Konrad “Conrad” Dorn (1915-1987), ebenfalls Bildhauer. Laut Registrierungsblatt schon ein Jahr früher , mit 1. Mai 1937, wurde ihre Schwester Anna Dorn (geb. 8. Juni 1911) Parteigenossin.

Diese war schon 1934 die Erstgenannte von vier Einwohnern von Suben bzw. St. Marienkirchen bei Schärding, die laut Mitteilung des Gendarmeriepostenkommandos Suben an die Bezirkshauptmannschaft Schärding offen mit der NSDAP sympathisierten und bei Terroranschlägen  – gewisse NSDAP-Anhänger in Österreich wollten den Anschluss herbeibomben – ohne Nachweis ihrer Beteiligung zu Entschädigungszahlungen herangezogen werden sollten.

Laut eigenen Angaben (siehe Bild) war Alois Dorn außerdem ab 1935 Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste, zudem der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt und “glaublich” (ein gesucht rares Adverb, das wohl der Phrase “glaub ich” entsprechen soll) der Deutschen Arbeitsfront.

Doch all das war nach dem Krieg nicht mehr so gefragt, Dorns Künstlerhand zunächst auch nicht. Viele seiner Werke waren im Weltkrieg zerstört worden oder vielleicht auch einfach nicht mehr dem Zeitgeist entsprechend, etwa der Entwurf zu einem “Kopf des Führers”, den er im Juli 1944 in einer Sonderschau anlässlich des Kreistages der NSDAP in Ried im Innkreis ausstellte, die Max Bauböck in der “Oberdonau-Zeitung” rezensierte.

Laut dem Kunstkenner Rainer Zimmermann, der die Texte in einem Werkband von ihm schrieb, soll Alois Dorn 1948 schon kurz vor der Auswanderung nach Südamerika gestanden sein. Hoffte er dort etwa auf Unterstützung alter Freunde, die 1945 ihr Heil in der Flucht über den Atlantik suchen mussten? Der Abgang wurde aber abgewendet: Dorn gewann den Wettbewerb für einen großen Brunnen in Linz – jenen, der noch heute prominent vor der Arbeiterkammer neben dem Volkspark steht.

Mit Erfolg und Geld in der Tasche wurde er bei einer alten Münchner Bekannten vorstellig, der böhmischen höheren Tochter Gertrud Fussenegger, der so ausgezeichneten Schriftstellerin, die mit vier Kindern von einem anderen Bildhauer, den sie betrogen hatte, gerade alleinerziehend jeden Groschen zweimal umdrehen musste. Ihr gestand der frischgebackene Erfolgsmensch seine jahrelange Liebe, sie wollte es nicht glauben und hatte als feine Dame klassische Vorbehalte gegenüber dem gewöhnungsbedürftigen Dorfmenschen, doch schließlich musste sie sich (laut ihrer fantasievollen Autobiografie “So gut ich es konnte”) doch ihre Liebe eingestehen.

So hatte sie wieder einen Mann und Ernährer in ihrem Leben, nachdem ihr auch Adolf Hitler verlorengegangen war. Dem hatte sie doch anlässlich des Anschlusses so einen leidenschaftlichen Hymnus gewidmet und ihn bei einem Galadiner in persona bewundern können. Parteigenossin war sie selbstredend. Auch Goebbels hatte sie einmal reden gehört und hätte sich auch fast an dessen Frau Magda ein Vorbild genommen und ihre Kinder mit in den Tod genommen. Man kennt ja die Szene in “Der Untergang”, als die von Corinna Harfouch gespielte Magda ihren sechs schlafenden Kindern Giftkapseln zwischen die Schneidezähne steckt und eine nach der anderen mit deren Unterkiefer knackt. Fussenegger hatte gehört, deutschen Nazi-Intellektuellen würden die Russen die Kinder wegnehmen und sie umerziehen. Dagegen schien ihr vierfacher Kindermord mit anschließender Schnell-Selbstrichtung artgerechter. Doch schließlich kam es nicht so weit und so konnte sie sich freuen, dass die Amis mit dem Nuking von Hiroshima und Nagasaki eine Schuld auf sich luden, die sich mit der deutschen messen konnte, und sich vor dem Atomkrieg fürchten, der doch sicher bald in Europa, zwischen den zwei Weltmächten, stattfinden würde.

Doch immerhin hatte sie jetzt Alois Dorn, ihren Luis, wie sie ihn nannte. Der war mit dem AK-Brunnen etabliert und erhielt immer wieder Aufträge. Hier ein Relief, dort eine Plastik, dort ein Kriegerdenkmal. Ein richtiger Paradebildhauer des Landes Oberösterreich, und er war ein Subener, war in Suben aufgewachsen, lebte auch als Erwachsener einige Jahre im Elternhaus in Suben, baute dort, weil ihm der Sinn danach stand, einen Turm an. Sein Pech: Das Haus stand in der Unteren Hofmark, einem recht tief gelegenen zentralen Ortsteil nahe der Pfarrkirche. Dieser Ortsteil wurde mit dem Bau des flussabwärts gelegenen Innkraftwerks St. Florian am Inn Anfang der 1960er-Jahre Raub des gestauten Wassers. Alle Unteren Hofmärker mussten absiedeln, die Häuser wurden abgerissen, Dorns Investitionen in sein Elternhaus waren dem Untergang geweiht gewesen. Schon das zweite Mal nach 1945, dass er auf scheinbar festen Boden gebaut hatte, der sich als sehr schnell vergänglich herausstellte?

Angesichts seiner Nachkriegskarriere musste es dann wohl so kommen, dass Alois Dorn in Suben das Kriegerdenkmal an der Pfarrkirche (geweiht 1960 durch den aus Suben stammenden Abt von Wilten Alois Stöger), das Gemeindewappen (1978) und ein Bronzerelief im Sitzungssaal der Gemeinde schuf. Am 22. November 1978 wurde ihm von ÖVP-Bürgermeister Josef Reininger der Ehrenring der Gemeinde Suben verliehen – derselben Gemeinde, in deren Arbeitshaus er bei und nach Kriegsende 22 Tage lang, von 7. bis 28. Mai 1945, als politischer Häftling in Gewahrsam war, bis er ins Amtsgefängnis Schärding überstellt wurde. Derselben Gemeinde, in der er sich 1947 als ehemaliger Nationalsozialist registrieren lassen musste.

Man darf sich aber schon fragen: Wie kommt er, wie kam er zu diesen vier Ehren? Drei von der Gemeinde bezahlte Kunstaufträge (das Kriegerdenkmal, das man bei jedem Kirchgang neben der Eingangstür sieht, ein Relief für den Sitzungssaal der Gemeinde und das Gemeindewappen – repräsentativer geht es nicht mehr) und ein Ehrenring für einen (wahrscheinlich überzeugten) Nazi?

 

Quellen u.a.:

Erich Zanzinger: Heimatbuch der Gemeinde Suben. Erschienen 1987.

Rainer Zimmermann: Alois Dorn. Ein Leben für Figur und Raum.

Gertrud Fussenegger: So gut ich es konnte.

Oberösterreichisches Landesarchiv (OÖLA) in Linz.

 

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